Nach zwei Jahren Pause wieder eine Winterfahrt im Bad Schwalbacher Kurpark / Investition in die alte Lok steht an Von Susanne Stoppelbein - Wiesbadener Kurier Untertaunus
BAD SCHWALBACH . Minus drei Grad, Schneeflocken schwirren durch die Luft. Der Bad Schwalbacher Kurpark präsentiert sich in Puderzuckeroptik. Zum Glück hat es nicht massiv geschneit, sonst hätte der Kurbahnverein seine Adventsfahrt absagen müssen. 2020 und 2021 ging wegen Regens und Pandemie nichts. Umso motivierter sind Betriebsleiter Horst Thölken und seine Mitstreiter in diesem Jahr unterwegs.
Viel Arbeit für die Ehrenamtlichen
„Die letzten drei Samstage haben wir für den heutigen Betriebstag Arbeitseinsätze gehabt“, erzählt Thölken, „die Strecke war ja voller Laub“. Der Schnee am Morgen kam hingegen überraschend. Spontan fand sich ein Trupp Freiwilliger schon Stunden vor dem geplanten Treffen zum Räumen der Strecke zusammen. Die Tüftler von der Kurbahn müssen das nicht mehr zu Fuß machen. Sie agieren von einer auf den offenen Wagen gehievten Parkbank aus mit zwei Laubbläsern.
Eine weitere halbe Stunde dauert das Rangieren, bis die Ehrenamtlichen die Handvoll Waggons hinter die Lok gekoppelt haben. Auch die ersten Fahrgäste kaufen schon lange vor der Abfahrtszeit ihre Tickets am Kiosk der Kurbahner. Dick eingemummelte Gäste aus Hohenstein, Taunusstein, Wiesbaden und Wallau sind darunter. Aus Bad Schwalbach stammen die zweijährige Amadea und ihre Mutter. Kinder dürfen schonmal für ein Selfie auf die Ersatz-Lok klettern. Amadea ist eher skeptisch. Sie weint ein bisschen, als sich die Kurbahn nach dem analogen Fahrkartenabknipsen und den Sicherheitshinweisen von Zugbegleiter und Vereinsmitbegründer Thomas Koch in Bewegung setzt.
An der Endstation Waffeln und Glühwein am Lagerfeuer
Hellblaue Wolldecken liegen für Fröstelnde bereit. Lokführer Thölken lässt an Punkten, wo Wanderwege kreuzen, das Pfeifsignal ertönen. Zwei Stellen mit bis zu sechs Prozent Steigung sind kritisch bei Schneefall, doch dank mit Sand abgestreuter Gleise tuckert die Kurbahn problemlos bis zur Endstation. Dort warten Vereinsvorsitzende Ulrike Neugebauer und ihr Verpflegungstrupp mit Würstchen vom Grill, Glühwein, Kaffee und Kuchen auf die Gäste. 60 Eier hat Heike Häring am Vortag zu Waffelteig verarbeitet. Sie schwört auf Industriewaffeleisen und ein Rezept mit Buttermilch. Zwischen den Tischen entzündet Ehemann Bernd Häring soeben das Lagerfeuer.
Ulrike Neugebauer ist voll des Lobes über ihr Team – von 50 Mitgliedern stellen etwa 15 aktiv den Betrieb sicher. „Der Teamgeist ist sehr groß und es macht Spaß“, sagt sie. Sorgen bereitet ihr allerdings, dass die alte Lok in die Jahre gekommen ist. Eine Totalüberholung steht an: mindestens 40.000 Euro ohne die Kosten für Kran und Tieflader für den Transport. „Da muss man viele Waffeln für backen“.
Auch Ramona Davola aus Niedermeilingen ist mit Ehemann Fabio, Tochter Letizia (zehn) und Sohn Luca (17) mit dem ersten Zug gekommen. Die Adventsfahrt mache die Familie schon mit, seit er denken könne, erzählt Luca, der seine Freundin Annika mitgebracht hat. Am Lagerfeuer gibt es eine Stärkung, dann geht’s zurück zum Moorbadehaus.
„Lenkrad links und es geht rückwärts, mit Lenkrad rechts geht’s vorwärts“, erklärt dort Lokführer Horst Müller im Führerhaus der alten Lok die Bedienung. Der Gashebel weiter unten bestimmt das Tempo. Wenn Schulklassen zu Besuch sind, trumpft Müller mit den technischen Daten auf: Die „Schöma-Lok“ (Baujahr 1985, 3,5 Tonnen, 30,5 PS) diente vor Umstellung auf Lkw-Betrieb noch zur Beförderung des Moors zur Therapieaufbereitung. Die zur Landesgartenschau angeschaffte Rensmann-Lok (Baujahr 2010, 6,5 Tonnen, 58 PS) ist für den Einsatz im Bergbau konstruiert.
Anderen Besuchern, wie etwa unlängst einer Gruppe Landfrauen, erzählt Müller hingegen gerne, dass wegen des Recycling-Kreislaufs womöglich schon Kaiserin Sisi zu Kurzwecken einst im gleichen Bad Schwalbacher Moor gesessen hat wie heutige Patienten. Solche Sonderfahrten für Gruppen bietet der Kurbahnverein für 150 Euro an. Die reguläre Fahrt vom Moorbadehaus zur Endstation Moorgruben und zurück kostet für Erwachsene vier, für Familien neun Euro. „Viele sagen uns, das sei zu preiswert“, sagt Müller, „aber die Gäste runden oft auf fünf oder zehn Euro auf.“
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